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DEUTSCHAMERIKANISCHE GESCHICHTE

Volkmar, Antonie. Abschied der Auswanderer. 1860
Volkmar, Antonie. Abschied der Auswanderer. 1860

Deutschamerikaner stellen heute den größten Bevölkerungsanteil der USA dar. Der Beginn der deutschamerikanischen Geschichte beginnt einer nordischen Sage zufolge bereits mit Tyrker, dem ersten Deutschen der Nordamerika bereiste, weit bevor die Route 1492 von Christopher Columbus offiziell entdeckt wurde. Der Sage zufolge entdeckte Tyrker mit seinem isländischen Ziehsohn Leif Eriksson den Kontinent um das Jahr 1000. Ob Tyrker tatsächlich existiert hat oder nicht bleibt ein Geheimnis in der Welt der Sagen und Legenden. Ein Fakt jedoch ist, dass in Jamestown, der ersten britischen Siedlung auf dem heutigen Gebiet der USA, auch deutsche Einwanderer vorzufinden waren. Die ersten Deutschen kamen bereits 1608, einem Jahr nach der Gründung von Jamestown, an Bord des Seglers "Mary and Margaret in die neue Welt. Sie kamen als Glasmacher und Zimmermänner und werden im Bericht von Captain John Smith, dem Gründer von Jamestown, erwähnt. In der Kolonialzeit siedelten die meisten Deutschen vor allem im liberalen Pennsylvania. Der aus Sommerhausen (bei Würzburg) stammende Franz Daniel Pastorius führte 13 aus Krefeld stammende Familien nach Pennsylvania und gründete dort mit ihnen Germantown. Deutsche Siedler waren aber auch in allen anderen der insgesamt 13 Kolonien vorzufinden. 

 

Bereits während der amerikanischen Revolution (1775 - 1783) kämpften auch Deutsche für die Unabhängigkeit der Kolonien, beispielsweise Peter Muehlenberg, der zwar in den Kolonien seine Kindheit verbrachte aber später in Deutschland Theologie studierte. Nachdem er aus Europa zurückkehrte, unterstütze er zunächst Patrick Henry, einem talentierten Verfechter der Unabhängigkeitsbewegung, und schritt später direkt von einer Predigt als Oberst von der Kanzlei, um sich der neu gegründeten Kontinentalarmee anzuschließen. Deutschstämmige Generäle des Revolutionskriegs, wie Friedrich Wilhelm von Steuben und Gerhard von der Wieden, erkämpften neben britischen Befehlshabern den souveränen Status der Vereinigten Staaten. Friedrich Wilhelm von Steuben gilt aufgrund seines Engagements bezüglich des Truppentrainings als einer der Gründungsväter der modernen US-Armee.

 

Ebenso stand es für viele eingewanderte Deutsche außer Frage die USA im sogenannten Zweiten Unabhängigkeitskrieg von 1812 zu unterstützen, wie beispielsweise General Walbach, der britische Truppen am St. Lawrence Fluss zurückdrängen konnte.

 

Als die Besiedelung des Westens begann, gehörten deutsche Siedler zur größten Einwandergruppe und prägten neben der Stadt St. Louis zahlreiche Regionen des mittleren Westens. Dies ist auch dem Reisebericht von Gottfried Duden zu verdanken, der Tausende Deutsche inspirierte in diesen Teil der USA auszuwandern. Ein Gebiet des mittleren Westens ist heute aufgrund des hohen Bevölkerungsanteils von deutschstämmigen Amerikanern als German Triangle (Deutsches Dreieck) bekannt.

 

Nachdem Europa 1815 in der Schlacht von Waterloo von der Tyrannei Napoleons befreit wurde, erhofften sich viele deutsche Freiheitskämpfer ein geeintes Deutschland. Diese Sehnsucht wurde jedoch vom Wiener Kongress bitter enttäuscht, sodass Auswanderungsgesellschaften die Möglichkeit eines geeinten Deutschlands (Neu Deutschland) auf dem nordamerikanischen Kontinent in Betracht zogen, wie zum Beispiel die Gießener Gesellschaft. Die verschiedenen Gesellschaften unternahmen solche Bestrebungen auf unbesiedelten Gebieten des heutigen Missouri, Wisconsin und Texas. Bestärkt wurde der Auswanderungswunsch durch die Repressionen von Verfechtern von liberalen und nationalen Ideen, welche man spätestens seit dem Mord am konservativen Schriftsteller August von Kotzebue durch den Studenten Karl Sand als staatsgefährdend ansah. Ein berühmter Auswanderer dieser Zeit war Karl Follen, welcher nicht nur die Turnerbewegung in die USA brachte, sondern erster Professor für Germanistik in den USA wurde. Die Turnerbewegung wiederum war an der Stadtgründung von New Ulm im US-Bundesstaat Minnesota beteiligt.

 

Ein Jahr nachdem mehrere Tausend Menschen am Hambacher Fest teilnahmen, kam es 1833 zum Frankfurter Wachensturm. Eine führende Rolle bei der Aktion spielte Gustav Koerner, der als politischer Flüchtling in den USA Zuflucht bekam. Dort setzte er sich bald als Sklavereigegner für demokratische Ideale ein. Er steht heute stellvertretend für die deutschen Auswanderer, welche als sogenannte "Dreißiger" bekannt wurden.

 

Nach den Dreißigern bereicherten die Achtundvierziger bzw. die Forty-Eighters die kulturelle und politische Landschaft der USA mit ihren freiheitlichen Idealen und Ideen. Sie kamen nach der gescheiterten Revolution von 1848/49.  Zu nennen sind hier vor allem Carl Schurz, Karl Heinzen, Gustav Struve, Arnold Ruge und Franz Sigel. Sie setzten sich für demokratische Ideale ein und waren leidenschaftliche Verfechter der neu gegründeten republikanischen Partei, sodass Abraham Lincoln sie als loyale Parteimitglieder aktiv für die Rekrutierung einsetzte. Zentrum der deutschen Kultur wurde die Stadt Cincinnati um Bundesstaat Ohio.

 

Während des amerikanischen Bürgerkriegs kämpften an die 216000 Deutsche und 500000 Amerikaner mit deutschen Wurzeln an der Seite der Union. Die beiden Generäle Carl Schurz und Adolph von Steinwehr führten sogar rein deutsche Divisionen. Die Leistung der deutschamerikanischen Soldaten wird heute mit mehreren Monumenten im Gettysburg National Military Park in Erinnerung gerufen.

 

Als 1871 das deutsche Kaiserreich ausgerufen wurde, fanden in vielen Großstädten der USA Paraden statt. Das positive Deutschlandbild blieb bis zum Ersten Weltkrieg erhalten. Nachdem der US-Präsident Woodrow Wilson den Krieg ausrief, kam es jedoch zu einer antideutschen Hysterie und zum dunkelsten Kapitel in der deutschamerikanischen Geschichte. Der damalige Justizminister Gregory Thomas beschäftigte 200000 ehrenamtliche Detektive, die sogenannte amerikanische Schutzliga oder American Protective League (APL), welche Jagd auf deutschstämmige Personen machte, die des Hochverrats verdächtigt wurden. Ein Gerücht war ausreichend, um Ermittlungen einzuleiten. Darüber hinaus wurden eine Vielzahl von unabhängigen Organisationen und Bürgerwehren gegründet, welche die antideutsche Stimmung weiter schürten. Zu nennen sind hier die American Defense Society sowie die National Security Leage (NSL). Letztere hatte über 100000 Mitglieder, welche unter anderem die bedingungslose und absolute Loyalität von deutschamerikanischen Institutionen forderten. Das Kaiserreich sollte  von Deutschamerikanern als Loyalitätsbeweis öffentlich denunziert werden. Wer sich den selbsternannten Hütern widersetzte, wurde im besten Fall durch Publikationen geächtet und wurde im schlimmsten Fall Opfer eines Lynchverbrechens. Die Bürgervereinigungen hatten die komplette Verbannung der deutschen Sprache zum Ziel, angefangen von Unterrichtsverboten über die Entfernung deutscher Namen. Das Sauerkraut wurde zum "liberty cabbage" und die Nachbarn Müller und Schmitt zu den Millers und Smiths. Die Namensänderungen schützen jedoch nicht immer vor den verbalen Demütigungen, welche Millionen von Deutschamerikanern über sich ergehen lassen mussten. Britische Schimpfwörter wie "Hun" und "Hunskunk" , angelehnt an die Hunnenrede von Kaiser Wilhelm II, wurden von der US-Presse in regelmäßigen Abständen verwendet, wenn man sich auf deutschamerikanische Bürger bezog. Der antideutsche Kreuzzug fand sowohl durch private Attacken als auch durch staatliche Verfolgungen statt. Es entwickelte sich zu einem oft blutigen Sport, deutschstämmige Bürger zu jagen, um sie zusammengeschlagen in Syrup zu tunken, dem Erstickungstod nahe oder zum Opfer fallend. Nicht wenige mussten durch ihren Ort marschieren, während die Leidtragenden unter massiven Anfeindungen den Treueschwur auf die US-Flagge ablegen und die amerikanische Nationalhymne singen mussten, in der Hoffnung so ihre Loyalität zur geliebten neuen Heimat beweisen zu können. Deutschamerikanische Häuser und Einrichtungen wurden mit gelber Farbe oder einem gelben Totenkopf markiert. Ein aufsehenserregendes Verbrechen war der Fall von Robert Prager aus Collinsville, Illinois. Er musste zunächst barfuß mit einer US-Flagge in der Hand durch die Stadt marschieren. Die Polizei nahm ihn zwar in Gewahrsam, doch auch die Staatshüter konnten sich nicht vor dem Mob schützen, sodass man kurzerhand kooperierte und sich darauf einigte den Mann aus der Stadt zu schaffen, damit der Mord nicht innerhalb der Stadtgrenzen vonstattenging, um lästigen Papierkram zu sparen. Deutschamerikanische Priester wurden öffentlich gesteinigt oder erschossen. Besonders hart traf es Individuen, welche zwar ihren Wohnsitz in den USA hatten, aber noch nicht im Besitz der US-Staatsbürgerschaft waren. Die Vereinigten Staaten übernahmen das britisches Modell für ein Konzentrationslager in Fort Oglethorpe im Bundesstaat Georgia. Ernst Kunwald, der Konzertmeister des Cincinnati Symphonieorchesters, wurde mit der gesamten Belegschaft des deutschen Theaters von Cincinnati interniert. Er verglich seine Erfahrungen im Internierungslager später mit jenen autoritären Systemen, welche in anderen Teilen der Welt an die Macht kamen und ähnliche Lager errichteten. 

 

Während des Zweiten Weltkriegs kam die Angst unter Deutschamerikanern auf, dass es zu einem erneuten Ausbruch der Gewalt gegenüber ihrer Gruppe kommen könnte. Vom Amerikadeutschen Volksbund, einer nationalsozialistischen Organisation in den USA, distanzierten sich sehr viele Deutschamerikaner öffentlich, da man Sorge trug mit den unamerikanischen Machenschaften des Bundes in Verbindung gebracht zu werden. Die Mitglieder des Amerikadeutschen Volksbundes warben für den Nationalsozialismus und versuchten die amerikanische Staatsbürgerschaft ausschließlich über die Ethnie zu definieren. Da argumentierte der Immigrant, welcher gerade seinen US-Pass erhalten hat, dass der im Staatsgebiet geborene Staatsbürger kein Anrecht auf diese hätte, da er nicht dem arischen Vorbild entsprach. Einer davon war der eingebürgerte Führer des Amerikadeutschen Volksbunds, Julius Kuhn, welchem nach dem Zweiten Weltkrieg die US-Staatsangehörigkeit wieder aberkannt wurde. Eine antideutsche Hysterie wie während des Ersten Weltkrieges blieb aus. Einem Umstand der auch deutschstämmigen Juden zu verdanken ist, welche als Architekten, Ärzte, Philosophen, Schriftsteller und Wissenschaftler eine intellektuelle Migrationsgruppe bildeten, die das öffentliche Leben in den USA mitgestalteten und auch dem deutschamerikanischen Leben einen Auftrieb gaben. Im Gegensatz zum Ersten Weltkrieg wurde nicht alles verdammt, was auch nur im entferntesten Sinne mit Deutschland in Verbindung gebracht werden konnte. Einige Historiker heben jedoch hervor, dass viel deutsches Kulturgut bereits vor dem Zweiten Weltkrieg vernichtet wurde, sodass es zu keiner allgemeinen Hysterie kommen konnte. Von staatlicher Seite gab es allerdings erneut Repressionen. Am 7. Dezember 1941 kam es im gesamten Land zu Verhaftungen.  Auch gerieten deutschamerikanische Verbände und Vereine erneut ins Visier. Dies geschah durch steuerliche Ermittlungen. Hierunter zählten der Turner- und der Nordamerikanische Sängerbund (NASB). Dem NASB wurde vorgeworfen den Amerikadeutschen Volksbund und unamerikanische Strömungen finanziell unterstützt zu haben. Die Beweispflicht der Unschuld lag bei den Verdächtigten. Dies gelang vor allem den Sängern, welche belegen konnten, dass sie im Besitz von Staatsanleihen waren, sogenannten Victory Bonds im Wert von über einer Million Dollar. Dieser Umstand wurde durch den Hinweis unterstrichen, zahlreiche Familienangehörige im US-Militär zu haben, welche die Demokratie in der Normandie und in Deutschland verteidigten. Der NASB konnte seine Unschuld und Loyalität entgegen dem Weltbild einiger damaligen Zeitgenossen beweisen.

 

Nach dem Zweiten Weltkrieg erholte sich das deutschamerikanische Verhältnis rapide, sodass selbst das anfängliche Fraternisierungsverbot auf keinen fruchtbaren Boden fiel. Der Grund lag in den bereits zu Beginn dieses Artikels angesprochenen Verflechtungen beider Nationen. Viele Deutsche haben irgendeinen Verwandten in den USA und mindestens jeder fünfte Amerikaner hat deutsche Vorfahren. Heute zählt die deutschamerikanische Partnerschaft zu einem der kostbarsten Errungenschaften, welche beide Nationen miteinander verbinden. 

Quellenangabe:

 

Emmerich, Alexander. Little Germany: Deutsche Auswanderer in Nordamerika. Frankfurt am Main: Campus Verlag, 2019.

Tolzmann, Don. The German-American Experience. New York: Humanity Books, 2000.

 

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